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Gesprächsführung mit „schwierigen Patienten“ 
Michael Kletter

Referat vor dem Bund Deutscher Allgemeinärzte (BDA), 07.11.1996, München

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie alle erleben es täglich in Ihrer Arbeit: Der Anteil psychosomatisch, psychovegetativ, psychosozial belasteter Patienten ist enorm hoch, Patienten mit psychovegetativen Störungen machen 40 - 50 % der Patientenschaft in der allgemeinärztlichen Praxis aus. 

Es ist ein Merkmal gerade dieser Patienten, dass sie den Arzt dazu bringen, alle medizinischen Register zu ziehen, wobei es meist bei z. T. sehr aufwendigen Diagnosen bleibt und nicht zu therapeutischen Maßnahmen führt, denn das Ergebnis ist meistens o. B. 

Sie wissen alle wie es weitergeht: Der Patient ist für eine kurze Zeit beruhigt aber bald kommt er wieder mit den gleichen oder auch ganz anderen Klagen und erwartet neue Untersuchungen. Bekommt er sie nicht, geht er zum nächsten Arzt usw. Irgendwann kommt er dann vielleicht zu einem von Ihnen, und da Sie sich für diese Zusammenhänge interessieren, erkennen Sie den psychischen Anteil der Problematik und klären den Patienten darüber auf. 

Sie wissen wieder wie es weitergeht: Der Patient will davon nichts wissen, bestenfalls widerlegt er ruhig und sachlich Ihre Vermutung, oft reagiert er auch gekränkt oder empört oder gar aggressiv. Nehmen wir weiter an, dass der Patient nach diesem Fortbildungsabend erneut zu Ihnen kommt, und Sie jetzt mit Erfolg das anwenden, was ich Ihnen heute Abend vermitteln will, und der Patient nun nicht widerständig reagiert sondern sich für den psychischen Anteil seiner Krankheit interessiert. 

Dann sind Sie schon einen großen Schritt weiter, aber noch nicht am Ziel, denn jetzt will der Patient ja was von Ihnen hören und er fragt Sie: Ja gut, aber was ist es denn, was meinen Sie denn jetzt mit dem "psychischen Anteil"? Gehen wir noch einen Schritt weiter und nehmen an, dass Sie dem Patienten nach ein bis zwei klärenden Gesprächen sagen können, wo der Hase im Pfeffer liegt, und er dem auch zustimmt, weil Sie es so gesagt haben, dass er es annehmen kann und nicht gekränkt ist, dann wird er wahrscheinlich fragen: Und was kann ich denn nun tun, damit es mir besser geht?

Sie sehen, wenn man sich auf den Patienten mit psychosomatischen Störungen einlässt, wird man in einer ganz anderen Weise gefordert, als wir das üblicherweise in unserem Beruf kennen. 

Was der Arzt in der psychosomatischen Grundversorgung braucht, ist in erster Linie ein Handlungskonzept, an dem er sich in dem weiten und unübersichtlichen Feld der psychogenen Störungen orientieren kann. Das ist nicht anders als bei der Erhebung eines körperlichen Status oder beim Lesen eines Laborausdrucks oder bei der Durchführung therapeutischer Maßnahmen: Sie folgen immer einer inneren Orientierung, die Ihnen sagt, was zuerst kommt und was dann und was zuletzt kommt, und genauso ist es im psychischen Bereich. Ich möchte dieses knowhow als Grundausrüstung für die psychosomatische Grundversorgung bezeichnen.

Stellen Sie sich bitte folgende Situation in Ihrer Praxis vor: Eine 42jährige Patientin in schlechtem Allgemeinzustand schildert Ihnen ihre Situation: Seit ihrer Varizenoperation vor 6 Wochen gehe es ihr kontinuierlich schlechter. Sie habe immer Angst gehabt, dass unter dem Verband was nicht in Ordnung sei, es hätten sich auch starke Schmerzen eingestellt, sie habe nächtelang nicht schlafen können, musste immer an das Bein denken, und der Operateur habe sie nicht beruhigen können. Letztlich sei alles komplikationslos abgeheilt, aber dann sei es gleich mit dem Kreislauf weitergegangen: Schwindel, schwarz vor Augen, Herzjagen, Schweißausbrüche. Nachts habe sie mehrfach in dieser Zeit den Notarzt rufen müssen, der nie etwas gefunden habe. Ihr bisheriger Hausarzt sei zunehmend ratlos und offensichtlich auch ungeduldig geworden. Im weiteren Verlauf hätten sich noch Magenschmerzen und Durchfälle eingestellt, sie hätte gleich immer an was Bösartiges denken müssen, aber sämtliche Untersuchungen hätten keinen pathologischen Befund erbracht. Sie hofft jetzt sehr, dass Sie ihr helfen könnten, denn sie sei nur noch ein einziges Nervenbündel, nachts liege sie wach und müsse immer auf das Zittern und vibrieren in ihrem Körper, besonders im Bauch, achten.

Sie sagen ihr, dass es ihr ja ganz offensichtlich sehr schlecht gehe und dass vorerst das einzig Tröstliche an der ganzen Sache sei, dass ihr offensichtlich organisch nichts fehle. Patientin: Ja, bei den ganzen Untersuchungen kam nichts raus, aber trotzdem stimmt doch da was nicht! Das bilde ich mir doch nicht alles nur ein!

Arzt: Sie haben völlig recht, wenn Sie meinen, dass da was nicht stimmt. Wenn man ständig Symptome hat, stimmt mit Sicherheit was nicht! Nur muss man häufig erst herausfinden, was es ist, das nicht stimmt. Das muss gar nicht am Körper liegen, oft will der Körper auf diese Weise nur darauf aufmerksam machen, dass irgendwas im momentanen Leben nicht in Ordnung ist. Wie sieht es denn bei Ihnen aus, in Ihrer momentanen Lebenssituation? Gibt es da etwas, was Sie nicht in Ordnung finden?

Darauf erzählt die Patientin, dass sie schon seit einem Jahr kräftemäßig völlig am Ende sei. Seitdem sie die Ausbildung zur Altenpflegerin mache und nebenher den Haushalt und die Kinder und den Mann zu versorgen habe, gehe es ihr an die Substanz. 

Sie sagen ihr darauf: Jetzt kann ich mir das schon viel besser vorstellen, wie Sie in diese Verfassung hineingekommen sind: Sie wollen sich allmählich auf die Zeit nach den Kindern vorbereiten und sich eine berufliche Grundlage schaffen und gleichzeitig wollen Sie die anderen in der Familie damit nicht belasten, alles sollte so weiterlaufen, wie es bisher war, und das wurde auf die Dauer dann einfach zuviel für Sie.

Patientin: Ja, das will ich aber nicht akzeptieren, dass das zuviel für mich wird. Sonst habe ich auch immer alles geschafft! 

Arzt: Ja, weil Sie anscheinend sehr starke Seiten haben und sich sehr in die Pflicht nehmen können, konnten Sie immer alles schaffen. Aber vielleicht war es jetzt einfach zuviel! Und Sie hatten noch gar nicht gemerkt, dass es zuviel ist und haben immer weitergemacht. Wie ist es denn eigentlich, können Sie sich nicht auch einige Dinge abnehmen lassen, von Ihrem Mann oder von Ihren Kindern?

Patientin: Ach ja, Sie wissen doch wie das ist mit den Kindern, bis ich die zu was überredet habe, habe ich es schon längst selbst gemacht. Und mein Mann – na ja, der hilft mir schon manchmal. (Hier fängt die Patientin wieder an zu weinen.) Aber er ist ja auch oft so fertig und ausgelaugt von der Arbeit, da kann ich doch nicht mehr viel verlangen. 

Arzt: Ja, jetzt ist mir die Situation wieder ein bisschen klarer geworden: Sie haben sehr viel zu bewältigen, und liegen lassen können Sie es nicht, das wäre für Sie auch keine Lösung, und sich Hilfe zu holen ist anscheinend auch schwierig, und so sind Sie in eine Erschöpfung geraten und dann sind die Symptome aufgetreten. Das wird jetzt ja sehr deutlich: die Symptome kommen Ihnen ganz offensichtlich zur Hilfe, denn die sagen: es geht nicht mehr, du bist krank, kümmere dich endlich wieder um deinen Körper, um deine Gesundheit! Und da erst, seit Sie krank waren, konnten Sie endlich mal wieder innehalten und sich um sich selbst kümmern. Könnte das so stimmen?

Patientin: Ja, das könnte schon sein, als ich richtig krank war, konnte ich ja wirklich nicht mehr arbeiten. 

Arzt: Okay, wenn das so war, dann hätten Ihre Symptome ja wirklich einen guten Grund, nämlich dass sie Sie vor weiterer Überforderung schützen. Und dann wäre auch gar nicht damit zu rechnen, dass die Symptome so schnell wieder verschwinden, denn erst müssten Sie wohl herausfinden, wie Sie auch ohne Kranksein besser für sich sorgen können. Kann man das so sehen?

Patientin: Ja, ich glaube da ist was dran, ich kann schlecht für mich sorgen.

Arzt: Okay, über diese Dinge können wir ja dann das nächste Mal reden. Ich wollte Sie bitten, dass Sie bis zum nächsten Termin mal sehr aufmerksam beobachten, wie das so zu Hause bei Ihnen läuft, was Ihnen gefällt und was so bleiben soll wie es ist, und auch was nicht so gut ist und was Sie gerne ändern würden. Und machen Sie sich dazu kurze Notizen, was Ihnen auffällt, und das nächste Mal reden wir dann auch darüber. 

Beim nächsten Termin nach 10 Tagen schildert die Patientin, dass es ihr eigentlich noch nicht besser gehe, und Sie antworten, dass das auch nicht zu erwarten war, dass diese Dinge sich ja wohl erst dann ändern können, wenn sie eine bessere Lösung für ihre schwierige Situation gefunden hat. Dann fragen Sie nach den Beobachtungen der Patientin und sie antwortet, dass es eigentlich viel Schönes gäbe, was sie so gemeinsam aufgebaut haben, wie die Kinder sich entwickelt haben, dass sie einen netten Bekanntenkreis haben usw .. Aber was sie jetzt zu sehr beschäftigt habe, hier beginnt sie wieder zu weinen, das sei das Verhalten ihres Mannes: Er sei meist mürrisch, beteilige sich wenig am Familienleben, ziehe sich zurück hinter seine Zeitungen und Bücher. 

Sie fragen: Und das war früher mal anders? 

Hier erzählt die Patientin die Beziehungsanamnese: Als sie ihren Mann kennenlernte, sei er grade drauf und dran gewesen, in ein Kloster einzutreten. Durch die Beziehung sei er unsicher geworden, welchen Weg er gehen soll. Und dann sei sie ungewollt schwanger geworden und obwohl die innere Entwicklung ihres Mannes wieder deutlich in Richtung eines weltlichen Lebens gegangen wäre, sei bei ihr seither immer der Zweifel dagewesen, ob er sich wirklich freiwillig für sie entschieden habe oder eigentlich dem Ordensleben hinterher trauere. In der Aufbauphase mit den kleinen Kindern und all den Anstrengungen sei dieser Verdacht ganz im Hintergrund gewesen, aber grade im letzten Jahr habe sie einfach nicht übersehen können, wie ihr Mann sich von der Familie zurückgezogen habe und ganz in seinen religiösen und philosophischen Büchern aufgehe.

Arzt: Das kann ich jetzt sehr gut verstehen: In Ihnen kam die alte Angst wieder hoch, dass er mit seinem Leben hadert, und da wollten Sie alles ganz besonders gut schaffen, um ihm nicht weiteren Anlass zu Unzufriedenheit zu geben. Vielmehr haben Sie gehofft, dass Sie ihn wieder für sich gewinnen können, wenn Sie alles schaffen. Und wenn da nichts kam, haben Sie sich nur noch mehr angestrengt. Stelle ich mir das so richtig vor? 

Patientin: Ja, mir war das nicht so bewusst, aber es ist schon so gelaufen.

Arzt: Ich glaub Sie sind da in eine Verhaltensweise hineingeraten, wie man sie bei Kindern manchmal sieht, die mit Anstrengung und Bravsein versuchen, die genervten und verärgerten Eltern zu besänftigen und sie dazu zu bringen, dass wieder eine gute Atmosphäre zu Hause ist.

Patientin: (hier weint sie wieder sehr heftig) Ja, so war das tatsächlich bei uns zu Hause oft. Meine Eltern waren sehr streng und meine Schwester und ich haben immer versucht, sie mit Arbeiten im Haushalt oder auf dem Hof zu entlasten, damit das bei uns auch mal etwas fröhlicher zuging.

Arzt: Das kann ich mir gut vorstellen, denn in genau so ein Verhalten sind Sie jetzt Ihrem Mann gegenüber hineingekommen, so wie wenn Sie wieder die brave Tochter wären. Jetzt ginge es aber darum, dass Sie wieder in Ihre Rolle als Ehefrau zurückfinden und einen anderen Weg finden, wie Sie mit Ihrer Beziehung umgehen.

Patientin: Ja, vielleicht hab ich damit schon angefangen: Nach der letzten Stunde hier habe ich meinem Mann davon erzählt, und wir haben zum ersten Mal seit langer Zeit wieder mehr über uns gesprochen. Mein Mann meinte übrigens, er würde auch gerne mal mitkommen, weil für ihn die letzte Zeit auch so schlimm war. 

Zum folgenden Paargespräch kam die Patientin in deutlich verbesserter Verfassung: Sie könne wieder schlafen und habe das Gefühl, wieder zu Kräften zu kommen. Ihr Körper sei noch nicht wieder ganz in Ordnung, aber alles beruhige sich und sie habe das Gefühl, dass sie auf dem richtigen Weg sei. In diesem Gespräch stellte sich heraus, dass beim Ehemann ein ganz ähnlicher Prozess wie bei der Patientin abgelaufen war: Ihr verbissenes Engagement für die Berufsausbildung hatte er als nachlassendes Interesse an Ehe und Familie interpretiert. Durch verbissenes Schuften hatte seine Mutter ihre Unzufriedenheit mit dem kleinbürgerlichen bescheidenen Leben in ihrer Ehe zum Ausdruck gebracht und genauso hatte er das Verhalten seiner Frau als Vorwurf empfunden, worauf er gekränkt und verärgert sieh zurückgezogen hatte. Über diese Dinge hatten die Eheleute sich in der Zwischenzeit ausgiebig unterhalten und waren dadurch wieder in einen guten Kontakt gekommen. 

Ich möchte Ihnen nun das Konzept verdeutlichen, dem der behandelnde Arzt in seiner Gesprächsführung gefolgt ist. Sie sehen, es geht um einen Dreischritt, und Sie finden darin die Aufgaben wieder, die ich Ihnen einleitend als besondere Anforderung der psychosomatischen Grundversorgung schon beschrieben habe. Diese Aufgaben kann man nun schrittweise erfüllen, das sind die Interventionsschritte des Arztes in der psychosomatischen Grundversorgung. 

1. Sie beginnen auch hier mit Befunderhebung und Diagnostik. Zuerst fokussieren Sie auf die Symptom- und Beschwerdeebene: Sie nehmen den Patienten in seinem Leidensdruck an und lassen alle Klagen und Beschwerden und auch die persönliche Krankheitstheorie des Patienten so stehen, wie er sie gesagt hat, d.h. Sie nehmen sie als Information über die Befindlichkeit des Patienten. Oft kommt der Patient dabei in eine starke affektive Bewegung und weint, das lassen Sie Anteil nehmend zu.

Dann fokussieren Sie auf die Umstände der aktuellen Lebenssituation, dorthin wo die psychische oder psychosomatische oder psychovegetative Symptomatik entsteht. Wie lebt der Patient, welche Aufgaben und Pflichten hat er, welche Menschen sind für ihn wichtig, wie kommt er in den verschiedenen Bereichen seines Lebens zurecht, bzw. wovor schreckt der Patient zurück? Bei unserer Patientin wurde deutlich, dass sie mit einem hohen Anspruchsniveau ihre Aufgaben zu erfüllen versuchte und das in einer verbissenen, einzelkämpferartigen Art und Weise bis zur Erschöpfung bzw. bis zum Auftreten von Symptomen getan hat. Soweit wir im ersten Gespräch beurteilen konnten, schreckt sie davon zurück, ihre Aufgabenbereiche in angemessener Weise mit ihrer Umgebung abzustimmen. 

Schließlich fokussieren Sie auf die biographischen Hintergründe, um mehr Plausibilität für die aktuelle Situation herzustellen. Aus der Anamnese wurde in unserem Fall die Angst der Patientin vor einer Unzufriedenheit ihres Mannes deutlich. Als das herausgearbeitet worden ist, kommt von Seiten der Patientin wie eine Bestätigung die Erinnerung, dass es einen Vorläufer dieses Musters in der Beziehung des Kindes zu den Eltern gegeben hat. Weitere biographische Erhebungen sind nicht nötig, oft sogar eher schädlich, weil zu viel Informationen eher irritieren. 

2. Nach diesen drei Fokussierungen auf die Symptom- und Beschwerdeebene, auf die gegenwärtige Lebenssituation und auf die Vorgeschichte kann die innere  Einstellung der Patientin, die zur Entstehung des aktuellen Problems beigetragen hat, herausgearbeitet und der Patientin angeboten werden: Durch den mürrischen Rückzug ihres Mannes sei sie in die vertraute Rolle der braven Tochter zurückgerutscht, die mit Leistung um die Gunst der Eltern wirbt. In dieser Formulierung wird das positive Motiv der Patientin deutlich, und deshalb braucht sie sich dagegen nicht zu wehren. Man nennt das die positive Konnotation der Eigenart eines Menschen, die zur Entstehung von Problemen beiträgt. Jetzt erst ist der Befund erhoben. 

3. Der nächste Schritt ist die Klärung des Therapieziels und Ressourcenaktivierung. Das ist hier relativ leicht zu erkennen: Es geht um eine andere Einstellung und um eine dementsprechend andere Verhaltensweise der Patientin gegenüber ihrem Mann. Dass Sie die  sozialen Rollen einer Tochter und einer erwachsenen Frau differenziert nebeneinander gestellt haben, reichte bereits, um der Patientin die Rückkehr auf ein angemessenes Funktionsniveau zu ermöglichen: Gleich nach der zweiten Stunde begann sie mit ihrem Mann intensiv zu reden und nach neuen Lösungen für die Beziehung zu suchen. 

Nicht jeder Fall läuft so gut wie dieser. Oft müssen erst die Fähigkeiten schrittweise erworben und erprobt werden, die die Zielverfolgung erlauben, das ist dann die Ressourcenmobilisierung. Auch dafür gibt es ein bewährtes Handwerkszeug, das ich Ihnen hier nur überblicksweise ausbreiten kann. Sehr effektiv für die Ressourcenmobilisierung ist das Aufspüren von sogenannten Ausnahmen, Situationen, in denen die Beschwerden nicht oder weniger vorlagen, d.h. in denen das Ziel erreicht oder annäherungsweise erreicht war. In diesen Ausnahmen findet ein Stück Gesundheit statt, diese Ausnahmen sind der Beweis dafür, dass der Patient Bewältigungsmöglichkeiten hat, deshalb ist die innere Logik der Ausnahmen genau herauszuarbeiten und auf andere Bereiche anzuwenden. - Hilfreich ist auch das Aufsuchen von Vorbildern: Wen kennen Sie, der mit so einer Situation gut umgehen kann? Was ist das Gute daran? Wie macht er das? Welchen Teil seines Umgangs mit dem Problem könnten Sie für sich übernehmen, mit welchem Teil könnten Sie mal experimentieren?

Fehlen Ausnahmen und Vorbilder, dann kann man durch hypothetische Fragen Lösungsphantasien im Patienten induzieren: Angenommen Sie hätten es satt, immer wieder die brave Tochter zu sein, woran würden Ihr Mann, Ihre Kinder, Ihre Ausbildungsleiterin das merken? 

Bei der Verfolgung des gemeinsam erarbeiteten Therapieziels wird immer wieder deutlich, woran der Patient scheitert, was ihm Schwierigkeiten bereitet und das gilt es dann durch Beobachtungs- und Verhaltensaufgaben stückweise in den Griff zu bekommen, auch dies eine gezielte Ressourcenstimulierung. 

Das Intervall zwischen den Gesprächen soll bei dieser Art des Vorgehens nicht zu gering sein, normalerweise ist ein 14-tägiges bis 4-wöchiges Intervall angemessen, weil der Patient ja neue Erfahrungen machen soll. Diese werden dann gemeinsam ausgewertet und der nächste anstehende Schritt wieder in Form von Beobachtungs- und Verhaltensaufgaben erarbeitet. 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe Ihnen hier ein Konzept vorgestellt und an hand eines Fallbeispieles illustriert, mit dem ich in meiner eigenen Praxis, in der Supervision von niedergelassenen somatischen Kollegen und in zahlreichen Kursen für die psychosomatische Grundversorgung gute Erfahrungen gemacht habe. Es stellt eine effektive Vorgehensweise zur Verfügung, die den Patienten relativ rasch voranbringt und ist wegen seiner Übersichtlichkeit und Praktikabilität für den Arzt relativ rasch zu erlernen. 

Ich danke Ihnen für Ihr Interesse.