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Einführungsreferat für das Coaching-Seminar im ÄWK am 14.07.1999

Michael Kletter

Definition: Coaching heißt, dass Menschen beraten werden, die in der Arbeitsorganisation eine verantwortliche Position haben und die durch Coaching eine Verbesserung ihrer Fähigkeiten erreichen wollen. Der Begriff kommt aus dem Sport, die sportliche Leistungsfähigkeit zu stärken, damit man im Wettbewerb bessere Chancen hat, ist in allen Bereichen das Ziel des Coaching. Coaching ist auf Effizienz angelegt, es soll in begrenzter Zeit und mit begrenztem Aufwand wirken, es soll die Fähigkeit verbessern, die Arbeit zu tun und bei der Arbeit zufriedener zu werden. Gegenüber dem mehr personenbezogenen Blick des Therapeuten bezieht sich der Coach zusätzlich explizit auf den beruflichen Kontext. Der Focus heißt: Die berufliche Tätigkeit des Betroffenen in der aktuellen Lebenssituation.

Einen für das Coaching geeigneten methodischen Ansatz stellt Fürstenau (1992) mit seinem psychoanalytisch-systemischen Ansatz zur Verfügung, der den folgenden Ausführungen zu Grunde liegt. In ihm sind die psychologische und die sozialwissenschaftliche (= systemische) Sichtweise vom Menschen verbunden. Damit wird berücksichtigt, dass die Umgebung, die Umwelt der Menschen eine zentrale Bedeutung hat, dass somit institutionelle Züge für Personen immer wesentlich sind.

Die jeweilige Umwelt stellt an die betroffene Person permanent eine Aufforderung zur Auseinandersetzung und zur angemessenen Bewältigung dar. Da das Ich-psychologische Konzept der Psychoanalyse sich sowohl auf Personen wie auch auf Institutionen anwenden lässt, kann es für das Coachingthema gut nutzbar gemacht werden, es stellt eine Klammer zwischen personenbezogener und institutionsbezogener Betrachtung dar. 

Kompetenzen des Coach: Zum einen braucht der Coach einen Erfahrungsschatz bezüglich menschlichen Gefühlslebens, menschlicher Entwicklung und der Veränderungen der Menschen im Verlauf des Lebens, d.h. klinisches psychoanalytisches Wissen. Auf der anderen Seite ist ein Verständnis für Organisationen und soziale Systeme, deren Aufgaben und Funktionen sowie die Rolle des Klienten darin erforderlich. Deshalb und wegen der Interventionsformen, die Menschen weiterhelfen können, ist eine systemische Kompetenz notwendig. Mit psychoanalytischem Wissen kann der Coach die die Leistungsfähigkeit einschränkenden Eigenheiten der Klienten erkennen und ihre Ressourcen sehen und fördern. Mit der Fähigkeit, soziale Zusammenhänge zu verstehen und den Kenntnissen von den Binnenverhältnissen in einer Organisation und der darin zu erfüllenden Rolle des Klienten kann er den beruflichen Kontext präzise erfassen. Sich die Klienten in der Arbeit und im Umgang mit anderen Personen vorstellen können, muss dem Coach auf jeden Fall möglich sein.

Die Fähigkeit, gewünschte Veränderungen anzustoßen, ist im systemischen Lager hoch entwickelt worden, während die psychoanalytischen Vorstellungen, dass Einsichtsgewinnung und Einsichtsvermittlung zu Veränderungen verhelfen könnten, nicht mehr ausreichend überzeugt. Der große Unterschied ist, dass die Psychoanalyse Mängel identifiziert und klärt, während der systemische Ansatz heißt: Man muss Probleme nicht vertiefen um sie lösen zu können, man kann sie gleich lösen. Dazu brauche ich mich nicht lange mit ihnen zu beschäftigen, vielmehr muss ich rechtzeitig abspringen können. Zuvor muss ich aber das Problem präzise erkannt haben, sonst weiß ich nicht, wie und wo ich abspringe. Deshalb ist die Kombination von Psychoanalyse (Verständnis) und sytemischer Therapie (Menschen aus der Sackgasse heraus helfen) so glücklich. 

In den letzten 4-5 Jahren hat sich im systemischen Denken immer mehr die Vorstellung bezüglich des Umgangs mit Menschen durchgesetzt, dass man mit suggestivtherapeutischen Maßnahmen Personen am besten über bestehende Verhaltensweisen hinweghelfen kann, Einfluss auf fixierte Verhaltensformen nehmen kann und den Menschen da heraushelfen kann. Dieser Gesichtspunkt ist gut vereinbar mit der Theorie und Praxis der Psychoanalyse.

Welche Kenntnisse der Psychoanalyse kann man nutzbar machen für das Coaching? 

1. Ich-Psychologie: Der Freud'sche Ich-Begriff, vor allem wie er in den 50er und 60er Jahren von Hartmann ausgearbeitet worden ist, ist nach wie vor ein sehr moderner. Nach Freud geht es immer um Befriedigung von persönlichen Bedürfnisstrukturen und darum, den Anforderungen der Umwelt gerecht zu werden. Für diese Arbeit vermittelt das Ich die Fähigkeiten und Handlungskompetenzen. So verstanden ist das Ich also eine vermittelnde Instanz zur Bedürfnisbefriedigung innerhalb der entsprechenden Umwelt. Diese Umwelt ist letztlich immer eine mitmenschliche aber auch eine materielle. Das Ich also als eine auf die Umwelt bezogene und sich mit ihr auseinander setzende Instanz zu verstehen, ist ein sehr moderner Systembegriff, der außerdem konvergent mit dem systemischen Denken ist. Die Aufgabe des Ich, innere Ansprüche und Bedürfnisse sowie die normativen Orientierungen mit der Außenwelt in Beziehung zu setzen und zu verbinden, ist psychische Arbeit. Arbeit bedeutet, Ziele zu identifizieren und Kräfte zu ihrer Erreichung zu mobilisieren, Arbeit ist also zielgerichtete Tätigkeit. Es reicht also nicht, gute Absichten zu haben, sondern diese müssen auch umgesetzt werden. 

Gerade dieser Aspekt der Ich-Psychologie, den Arbeitsgesichtspunkt in den Vordergrund zu stellen, macht sie für das Coaching geeignet. Darüber hinaus stellt sie eine Klammer zwischen personenbezogener und institutionsbezogener Betrachtung dar, wie oben bereits ausgeführt wurde.

2. Die Entwicklungsperspektive: Aus dem analytischen Verständnis kann auch die Entwicklungsperspektive für unseren Zweck nutzbar gemacht werden: Der Grundsatz ist, dass Personen gar nicht anders können, als sich im Laufe des Lebens zu verändern. In der Psychoanalyse war dieser Prozess früher mit der Adoleszenz beendet, später sprach man nur noch von Traditionen und Fixierungen. Erikson hat als einer der ersten die lebenslange Entwicklung beschrieben und zwar als gesunde Entwicklung mit bestimmten Abfolgen wie auch als pathologische Entwicklung, die in der Psychoanalyse als Ergebnis von Traumaverarbeitung verstanden wird. Dieses Entwicklungskonzept geht davon aus, dass alle Menschen an die neue Situation mit Erfahrungen von früher herangehen. 

Dass ich in einer neuen Situation stehe merke ich erst, wenn meine alten Erfahrungen nicht mehr zu einer erfolgreichen Bewältigungsstrategie ausreichen. Kann ich aber mit meinem bisherigen Repertoire die in dieser Situation gestellten Aufgaben nicht meistern, komme ich leicht in eine kritische Situation. So eine kritische Situation kann mit gesundem Menschenverstand, Versuch und Irrtum, Experimentieren bewältigt werden, indem ich neue Lösungen finde, oder es kommt dazu, dass eine Person oder Gruppe oder Familie oder ein Team keine neue Antwort auf die neue Situation findet, sondern auf den früheren Positionen beharrt und sich den anstehenden Entwicklungen verweigert. Solche Menschen brauchen einen Beratungspartner, der hilft, die kritische Situation anzupacken. 

Ein solcher entwicklungsorientierter Ansatz beinhaltet immer auch ein Krisenkonzept, weil jede Bewältigungsaufgabe auch schiefgehen kann. Die Krise wird dabei als Chance gesehen, Entwicklungsprozesse zu stimulieren, den Unterschied von früher und jetzt zu erkennen, etwas Neues zu entwickeln und damit die Krise zu überwinden. Das normale Muster von "Entwicklung über Krisen" heißt also: Bisherige Erfahrungen einzubringen, festzustellen dass das nicht funktioniert, in der folgenden Verunsicherung gezwungen zu sein, neue Lösungen (= Ich-Funktionen) zu entwickeln.

Zum Begriff der Entwicklungspsychologie gehört auch das Konzept von Progression und Regression: Unter Bedrängnis können Menschen zurückfallen auf eine frühere Position, d.h. sie regredieren zu früher erworbenen Bewältigungspositionen, häufig zu kindlichen Positionen, die einem früheren Entwicklungsalter entsprechen. Progression setzt dagegen immer voraus, dass ich neue Situationen meistern und die davor bestehende Angst überwinden kann.

3. Übertragung: Ganz engverbunden mit der Entwicklungsperspektive ist der Übertragungsbegriff: Übertragung ist zu verstehen als Muster von Maßnahmen, die zur neuen Situation nicht passen. Übertragung liegt also vor, wenn deutlich wird, dass mit dem bisherigen Repertoire die Meisterung der Situation nicht gelingt. In so einer Beratungssituation hat der Coach sich zu fragen: Was ist das für ein Muster, in dem sich eine bestimmte Person immer wieder findet, und eine angemessene Lösung nicht schafft. Übertragungsanalyse wird hier als Mustererkennung eingesetzt. Übertragung soll nicht mystifiziert werden sondern klar gefasst werden als die Summe von Eigenheiten, die hinderlich sind zur Erreichung angemessener aktueller Ziele. Der Betroffene weiß natürlich nicht, dass er überträgt, sondern stellt nur fest, dass etwas nicht gelingt. Was aber sein eigener Anteil daran ist, muss der Coach als erstes herausarbeiten, d.h. er muss dem Klienten seine lösungsbehindernde Eigenheit wahrnehmbar machen. Eine weitere Definition heißt: Übertragung ist das Beziehungsmuster, das dadurch auffällt, dass es für die aktuellen Ziele nicht mehr angemessen ist. Hinderliche Haltungen werden also erkennbar als Übertragung. Wenn Übertragung als Erwartungen und Einstellungen zu relevanten Menschen verstanden werden kann, so ist sie sowohl unmittelbar in der Beratungssituation als auch außerhalb derselben erfahrbar. So ist das in der Therapie Berichtete deshalb als wesentlich anzusehen, weil es Beziehungsaspekte liefert, die sich in der therapeutischen Beziehung nicht ereignen können. Beide Quellen liefern Informationen, die zu erkennen helfen, in welchen Bereichen ein Patient eingeschränkt ist auf ein altes überkommenes Muster.

Aus einer anderen Perspektive kann dieses Geschehen auch mit dem Copingbegriff erfasst werden: Menschen versuchen immer wieder, mit schwierigen und gefährlichen Situationen umzugehen, die Art wie sie diese zu bewältigen versuchen ist das Coping. Copingstrategien werden entwickelt in der Kindheit in der Auseinandersetzung mit bedrohlichen, traumatischen Situationen. Entsprechend diesen Copingmustern verhalten Menschen sich in problematischen Situationen im Verlauf ihrer weiteren Entwicklung. Wenn ein Mensch an bestimmten überkommenen Lösungen festhält die nicht mehr passen, wird er im Erwachsenenalter an einer bestimmten Aufgabe als Führungskraft scheitern. Deshalb geht es im Coaching zu allererst darum, die für den Patienten verbindlichen Copingstrategien zu erfassen. Neben Handlungsmustern sind hier auch Erwartungsmuster und selbstverständliche Überzeugungen gemeint: Was der Klient von sich und anderen erwartet und was für Überzeugungen er hat, muss der Coach präzise erfassen. Wenn sich der Klient so verhält als wäre jeder ein Feind (eine Überlebensstrategie, die er als Kind nötig hatte, später übertrieben und generalisiert hat), dann wird er ein ganz besonders vorsichtiger und misstrauischer Mensch sein. Der Coach muss dann erkennen, dass der Klient sich auf diese Weise viele Chancen verbaut, wenn er in seinen Mitarbeitern potentielle Feinde sieht. Zu dieser Einsicht gelangt der Coach durch die Beobachtung der Umgebungskontakte und der Beratungsbeziehung selbst. Um das Copingmuster zu erkennen muss der Coach ein Repertoire von Mustern zur Verfügung haben, denn nur das was man kennt, kann man erkennen. Gefordert ist also eine Übersicht über die Grundmuster möglicher pathologischer Überzeugungen, die sich als Eigenheiten in Beziehungen und im Umgang mit Menschen abbilden.

Aus diesen Überlegungen kann ein Veränderungskonzept abgeleitet werden: Erst wenn einer Person ihr relevantes Muster klar rückgemeldet worden ist, kann sie sich damit auseinandersetzen. Der Klient muss also erst vom Coach erfahren haben, dass in seinem Verhalten die selbstverständliche Überzeugung, alle Menschen seien Feinde, eine Rolle spielt. Erst dann kann er an das Überprüfen der pathologischen Überzeugungen herangehen: Er kann sich fragen, ob er mit seinen Mitarbeitern anders umgehen soll, und dann eröffnet sich die Chance, neue Erfahrungen zu machen, die sich selbst verstärken. 

So wie die Menschen sich in der Regel durch ihre Krisen hindurchwursteln mit Intelligenz, praktischen Fähigkeiten, Versuch und Irrtum, so ähnlich muss es auch eine Firma tun. Und wenn ein Mensch keine angemessene Lösung für die aktuelle Situation findet, kommt es zur Symptombildung, er entwickelt z. B. Bauchschmerzen, die ihm einen Grund liefern, zu Hause zu bleiben. Ebenso kann eine Firma symptomatisch werden: Statt ein neues Vertriebssystem zu entwickeln, produziert sie immer neue Vorschriften und Kontrollen, d.h. sie versucht mit dem bisherigen Muster von Lösungen zurecht zu kommen und schafft es nicht, für die neue Situation eine angemessene Lösung zu finden. 

Ein letzter Aspekt zur Übertragung: Nach der Mustererkennung und der Vermittlung dieser Einsicht an den Klienten geht es darum, zu den bisherigen Selbstverständlichkeiten einen Abstand herzustellen. Erst wenn ich klar erkannt habe, was ich bisher getan habe, kann ich anfangen, Neues zu entwickeln und auszuprobieren. Allerdings soll die alte Lösung nicht gleich verdammt werden, denn sie ist vertraut und in jedem Fall besser als gar keine Lösung. Deshalb ist ihr von Seiten des Coaches mit Respekt zu begegnen: Aus den bisherigen Erfahrungen hat dieses Individuum sich eben diesen Vers gemacht (z. B. ohne permanente Kontrolle wird es im Leben gefährlich). Darüber hinaus muss der Coach wissen, dass der Klient erst auf das alte Muster verzichten kann, wenn ein neues, besseres entwickelt worden ist. Das bedeutet, dass Interventionen in einer bestimmten Reihenfolge zu erfolgen haben: Vor einer änderungsorientierten Intervention ist eine bestätigende Intervention angebracht!

Als grundlegende sozialwissenschaftliche Kenntnisse muss der Coach eine basale Vorstellung von Unternehmensstrukturen und den in Wirtschaftsunternehmen auftretenden Problemen haben, sowie mit den folgenden Begriffen vertraut sein: 

1. Kooperationsgebot: Arbeitsinstitutionen sind Gebilde, in denen sich Gruppen von Menschen zusammenfinden und Dienstleistungen anbieten oder Waren produzieren. Dabei sind alle gehalten, miteinander zu kooperieren und zwar sowohl auf derselben Ebene wie auch zwischen den einzelnen Hierarchieebenen.

2. Ziele der Institution: Arbeitsinstitutionen (Dienstleistungsbetriebe) haben immer zwei Ziele: Für ihre Klientschaft Dienstleistung anzubieten und den Mitarbeitern günstige Arbeitsumstände bereit zu stellen (Fürsorgepflicht des Arbeitgebers).

3. Rollenbegriff: Menschen sind in unterschiedlichen Rollen tätig, d.h. sie haben unterschiedliche Aufgabenbündel. Komplizierend wirkt, dass es für jede Rolle verschiedene Vorschriften gibt (allgemeine, offizielle, hausinterne, nicht-ausdrückliche), d.h. es ist für den Rollenträger nie ganz klar, welche Vorschriften gelten (Gesetz, Hausordnung, Arbeitsvertrag). Daraus ergibt sich für die Einzelperson die Frage, wie sie ihre Aufgabe wahrnimmt, d.h. die persönliche Rolleninterpretation kann sehr unterschiedlich sein. Neben der Rollenvorschrift und der Rolleninterpretation spielt schließlich auch die Rollengestaltung eine Rolle, denn auch sie kann unterschiedlich wahrgenommen und individuell ausgestaltet werden. Dabei können wiederum die subjektive Vorstellung von der eigenen Rollengestaltung und deren Fremdbeurteilung sehr weit auseinanderklaffen: Der Chef hält sich z. B. für liberal, die anderen sehen es ganz anders. - Weil Rollenvorschrift, Rolleninterpretation und Rollengestaltung sehr differieren können, muss der Coach eine Vorstellung von den möglichen Rollendiskrepanzen im Kopf haben. 

4. Führung: Der Coach muss wissen, was Führung ist! Da die Führungskraft Verantwortung für ihren Zuständigkeitsbereich und die dort beschäftigten Menschen trägt, ist mit antiautoritären Vorstellungen hier nicht zu operieren. Der Coach muss ein Modell haben über die Aufgaben einer Führungsposition, z.B. zu sichern, dass die Mitarbeiter vor Ort die Dienstleistung an den Klienten gut machen können, die Bereitstellung der Mittel, die Veranlassung der Arbeitsausführung, die zielorientierte Steuerung der Prozesse. Für diese Tätigkeiten ist ein Überblick notwendig, über den die Führungskraft verfügen muss. Zudem muss der Coach eine klar artikulierte Vorstellung von den Aufgaben der einzelnen Ebenen haben: Was muss der Chef, was muss die mittlere, was muss die untere Führungsebene tun. 

Systemische Gesichtspunkte, die für das Coaching genutzt werden können:

1. Elemente einer systemischen Grundhaltung: 

A. Den Möglichkeitsraum vergrößern: Entsprechend dem "systemischen Imperativ" gilt es, neben dem bestätigenden Verstehen hinreichend viel Neues, Ungewohntes, vielleicht sogar Verstörendes oder Provokatives in der Therapie geschehen zu lassen.

B. Achtung vor der Selbstorganisation: Der Therapeut nähert sich dem System aus einer Haltung der Neugierde, einer Expertise des Nicht-Wissens in dem Bemühen, Genese, Funktion und Funktionalität symptomatischen Verhaltens aus der Innensicht des Klientensystems kennen zu lernen. -Der Therapeut hält die Neutralität ein gegenüber Personen, Ideen und auch Symptomen! -Er hält Symptome nicht einseitig für zu beseitigende Probleme, sondern für zwar suboptimale aber doch kreative Lösungen anderer, bislang nicht besser lösbarer Probleme.

C. Ressourcenorientierung: Der Therapeut geht von der Hypothese aus, dass dem Patienten "nichts fehlt", sondern dass die Ressourcen zur Problemlösung im Klientensystem bereits vorhanden sind, aber noch nicht entdeckt oder nicht mehr genutzt wurden. Deshalb gehört zum hier vorgestellten Ansatz auch ein klarer Blick für die gesunden Aspekte des Klienten. 

D.  Lösungsorientierung: Lösungsorientierte Therapie sucht vor allem nach dem, was schon jetzt gut gelingt, den "Ausnahmen vom Problem" und versucht durch das Antizipieren einer "Zukunft nach der Problemlösung", Zielvisionen zu erzeugen, die positiv auf das heutige Tun und Handeln zurückwirken. Radikal formuliert bedeutet Lösungsorientierung: Man braucht das Problem nicht näher zu erkunden, man kann sich gleich an die Konstruktion von Lösungen begeben. 

2. Systemisches Intervenieren: Beim systemischen Intervenieren geht es nicht darum, die Psychopathologie darzustellen! Vielmehr lässt der Coach seinen Klienten, so wie er ist, auf sich wirken und versucht dann, dieses positiv zu beschreiben. Durch diese Interventionsform der positiven Konnotation ermöglicht sich ein zwangloser, widerstandsfreier Kontakt. Bei diesem Vorgehen werden die Klienten rasch bereit, etwas anzunehmen. So ermöglicht es dem Coach, auf Menschen Einfluss zu nehmen ohne sie erst in einen regressiven Prozess bringen zu müssen. Es wird deutlich, dass diesem Ansatz völlig andere Überlegungen zugrunde liegen als den psychoanalytischen Interventionen. Systemische Interventionsformen sind sehr verschiedenartig und erlauben eine jeweils gezielte Anwendung im Ablauf eines Beratungsprozesses. Ihre hohe Wirksamkeit beziehen die systemischen Interventionen aus ihrem suggestiv-therapeutischen Hintergrund: Wie kann ich am ehesten so auf eine Person Einfluss gewinnen, dass sie ihre Möglichkeiten mobilisiert und aktiviert, um mit einem bestimmten Problem fertig zu werden. Dabei soll der Coach nicht an die Stelle des Patienten treten und mit ihm die Problematik teilen, sondern ihn zu Lösungen anregen.

Eine zentrale Kompetenz des Coach muss es sein, Veränderungsprozesse stimulieren zu können, d.h. kompetent auf Menschen einzuwirken mit dem Ziel angemessener Veränderung. Dabei soll der Coach nicht die Probleme des Klienten lösen, sondern der Klient soll mit Hilfe des Coach einen persönlichen Stil finden, die anstehenden Aufgabengut zu bewältigen.

Interventionsschritte: Durch den folgenden Ablauf von Interventionsschritten zieht sich ein roter Faden der Logik. Diese Form der Gesprächsführung hilft, die Blickrichtung des Coach zu disziplinieren und den Gesprächsablauf zu ordnen.

1. Affektabfuhr: Verständnis für Befindlichkeit der Kunden, Gelegenheit zur Affektabfuhr geben. Hier soll der Klient klagen, der Coach soll in Ruhe sich alles anhören und unterschiedslos als subjektives Erleben des Klienten akzeptieren. Andernfalls würden die Klienten ständig Klagen nachschieben, dies umso stärker, wenn der Coach versucht, die Problematik zu bagatellisieren. Andererseits sind die Klagen auch nicht aufzublähen durch Detailfragen, sondern schlicht zuzulassen. 

- Der Coach gibt von vornherein Komplimente: er fände es gut, dass der Klient gekommen sei und an seiner Problematik arbeiten wolle, um dieses Problem zu bewältigen.

 - Möglichst frühzeitig ist die "affektive Intervention" zu geben: Die Gefühlsverfassung des Patienten präzise zu beschreiben, auf den Punkt zu bringen.

So gestaltet der Coach aktiv eine Atmosphäre für den Klienten, in der er sich angenommen und verstanden fühlen kann, was ihn Hoffnung schöpfen lässt, hier mit seiner Problematik weiter zu kommen.

2. Jetzt geht es um das Eruieren und Abklären des Kontextes. Dabei ist mit dem Klienten zu klären, vor welcher (normalen) Aufgabe er zurückschreckt, was er eigentlich können und meistern sollte. 

3. Jetzt geht es darum, sich einen Überblick über die bisherige Laufbahn und die absolvierten Ausbildungen zu verschaffen. Möglicherweise stellt sich hier heraus, dass der Klient für seine momentane Aufgabe gar nicht ausgebildet ist. (Hier ist der wesentliche Unterschied gegenüber dem therapeutischen Vorgehen: Es werden nicht weitere Informationen über die Genese der Person eingeholt, sondern präzise auf die Arbeit bezogene Inhalte erfragt)

4. Lösungsbehindernde Eigenheit (Übertragung) erkennen und gegenüber dem Klienten positiv konnotieren: Dieser Punkt ist sozusagen die Auswertung der bisher vollzogenen Interventionsschritte, hier soll so etwas wie ein Befund erhoben werden. Dabei muss es gelingen, die störungsrelevanten  Eigenheiten des Patienten so anzusprechen, dass er sich respektiert fühlen kann und auf keinen Fall als Mangelträger erleben muss.

5. Jetzt geht es darum, den Patienten explizit auf Lösung und auf Zukunft einzustellen. Nach dem bisher Erarbeiteten ist hier der Punkt, die Aufmerksamkeit des Patienten eben in diese Richtung umzulenken, auf keinen Fall weiter Pathologievertiefung zu betreiben. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass viele Klienten beim Berater sich auch gerne krank und schwierig zeigen wollen. Dem ist gerecht zu werden, indem man deutlich betont: Es wird nicht leicht sein, hier eine neue Lösung zu finden. Denn wenn der Berater zu optimistisch hinsichtlich der Lösung ist, beweist der Patient ihm möglicherweise das Gegenteil. Deshalb eindeutig die Schwierigkeit betonen und eine Balance zwischen Hoffnung und Zweifeln aufrechterhalten: "Ob wir das ändern können, müssen wir erst sehen. Wenn Sie es schaffen, haben Sie wirklich etwas geleistet!" 

Wie stelle ich nun den Patienten auf Lösung ein? Hier besteht die Gefahr, einfach rational Ziele zu registrieren. Dagegen bringt die Wunderfrage Bewegung und Orientierung in kognitiver wie auch emotionaler Hinsieht, denn die Lösung wird auf diese Weise situationsspezifisch, plastisch, sinnlich-konkret ausphantasiert. Im Grunde ist die Wunderfrage ein Phantasietrick, die den Patienten dazu bringt, sich eine Lösung vorzustellen. Mit diesem Kunstgriff der systemischen Therapie kann der Patient aus der Präokkupation seiner gegenwärtigen Misere heraus geleitet werden. Man lässt den Patienten ausphantasieren, wie er unter besseren Umständen auftritt, sitzt, redet usw., denn das alles wirkt positiv auf das heutige Tun und Handeln zurück. Der Coach muss darauf achten, dass der Klient Beobachtbares beschreibt, d.h. beobachtbare, handfeste Kriterien, die sich verhaltensmäßig niederschlagen. "Woran würden relevante Andere merken, dass Ihr Problem gelöst ist?" Diese Frage muss mit konkreten Szenen mit Handlungsinhalten, Gefühlen und Interaktionen beantwortet werden. 

Man stellt den Klienten auf Lösung ein, damit er sich mit der Lösung beschäftigt. Die provozierte Lösungsphantasie muss entsprechend stark der bisher bestehenden Vermeidungstendenz sein, damit sie eine Umorientierung bewirken kann: Nur was ich mir sinnlich-konkret vorstelle (oder dann konkret erfahre), das motiviert. 

Bei der Zielerarbeitung ist präzise zu klären, welche konkrete Situation am Ende herauskommen soll! Die meisten Menschen kommen mit abstrakten Zielen in die Beratung, und die meisten Berater geben sich mit verwaschenen Zielen zufrieden. Zu klären ist, ob die genannten Ziele verschwommen sind oder operational sind. Hier darf der Berater auf keinen Fall nachlässig sein!

6. Jetzt erfolgen Settingabsprachen, Terminklärung, Honorarfestlegung. Bis hierher reicht das Erstgespräch, erst hier ist die Abklärungsphase beendet. 

Danach kommt die eigentliche Beratung mit den Punkten 7-9. In dieser Folge liegt eine Sinnlogik, sie kann als Modell für einen Gesprächsablauf verstanden werden, wobei die einzelnen Punkte mal länger und mal weniger lang abzuhandeln sind. In jedem Fall sollte man in ein bis zwei Sitzungen bis hierher gelangen, nur in Ausnahmefällen braucht man gelegentlich mehr Zeit, um die komplexe Situation sorgfältig zu sortieren.

7. Ressourcenmobilisierung: Der Punkt 7 stellt die unmittelbare Fortsetzung von Punkt 5 (Einstellen auf Lösung, Zielbestimmung) dar. Wann ist dem Klienten früher oder jetzt das Verhalten gelungen, das er erreichen möchte oder ein Schritt der Annäherung an dieses Verhalten (dies sind die Ausnahmen, die eine Anregung zur Bewältigung der gegenwärtigen Situation darstellen können) oder kennt der Klient ein Vorbild für dieses erwünschte Verhalten (Vorbilder bieten erwünschte und annehmbare Lösungsmuster)? Hier sind jeweils Umstände und Voraussetzungen von Ausnahmen und Vorbildern zu analysieren. An dieser Stelle sind Beobachtungsaufgaben anzeigt. - Bei fehlenden Ausnahmen und Vorbildern hypothetische Lösungen einführen mit der Frage: Was wäre, wenn….? Hypothetische Lösungen verwickeln den Klienten in einen Prozess größerer Flexibilität. Hier sind nicht zu große aber durchaus markante Schritte aufs Ziel hin zu hypothetisieren. 

- Eine weitere ressourcenmobilisierende Frage wäre: Was müssten Sie lernen, um die (vorher genau beschriebene) Barriere zu überspringen? Dazu die Barriere (Hindernis, Angstphantasie hinter der Einstellung) genau untersuchen, die Gefahrensituation vergegenwärtigen und genau durchgehen. Wenn die Barriere mit einer Eigenheit des Klienten zu tun hat, sind Aufgaben zu stellen, die eine Überprüfung der bisherigen Überzeugungen beinhalten. So erfolgt eine schrittweise Annäherung durch Diskussion der Erfahrungen bei der Aufgabenumsetzung.

Darauf wieder neue Aufgaben. 

8. Umgang mit den Eigenheiten: Hier spielt die Symptomverschreibung eine große Rolle! Im Gegensatz dazu wollen die meisten Berater möglichst schnell etwas ändern, das ist aber meist schwierig oder unmöglich. Dagegen hat man viel größere Chancen, wenn man das, was ein Mensch sowieso macht, mit einer kleinen Modifikation verschreibt. Auf diese Weise kommt die Symptomatik unter bewusste Kontrolle. Hierher gehört weiterhin die Dämpfung des Veränderungsimpulses und die Voraussage eines Rückfalls. - Sollte ein Klient dem Coach beweisen wollen, dass er etwas nicht kann, sollte dieser ihn voll bestätigen: Wenn Sie es nicht können, dann machen Sie es halt nicht! D. h. niemals gegen den Widerstand ankämpfen! Hinsichtlich Ängsten ist dem Klienten klar zu machen, dass man die nur dadurch überwinden kann, dass man sich ihnen in kontrollierter Form aussetzt und sieht, ob das auch wirklich stimmt, was man befürchtet: "Über Ihre Ängste zu reden und die Hintergründe zu erhellen ist sicherlich nicht schlecht, Änderungen kommen auch nur, wenn wir Schritt für Schritt überprüfen, ob Ihr Verhalten so bleiben muss." Der Klient soll sich dem also in dosierter Form aussetzen und die Erfahrungen in der Beratungsstunde genau besprechen.

9. Der Punkt ist sehr kurz aber umso wichtiger: Bei Misserfolgen sich nicht gleich entmutigen lassen sondern von einer neuen Seite wieder an das Thema rangehen!

(Literaturempfehlung: Fürstenau, Peter: Entwicklungsförderung durch Therapie: Grundlagen psychoanalytisch-systemischer Psychotherapie.  München: Pfeiffer, 1992)